„Mein Leipzig lob‘ ich mir“ – diese Weisheit aus Goethes „Faust“ bestätigt sich seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue,
wenn sich die Leistungskurse Deutsch und Geschichte zur Buchmessezeit auf Studienfahrt in die sächsische Landeshauptstadt
begeben. Dieses traditionelle Ziel, von Karl Neugebauer und seinem damaligen Deutsch-Leistungskurs unmittelbar nach der
„Wende“ erstmals angesteuert, könnte nicht besser gewählt sein, denn es gibt nur wenige Orte in Deutschland, wo man das
literarische Leben und die jüngere deutsche Vergangenheit so verdichtet und intensiv studieren und erleben kann wie in
Leipzig: Die „Germanisten“ können namhafte Autoren wie Grass oder Walser live bei Lesungen erleben, die „Historiker“ erleben
die deutsche Geschichte von den Befreiungskriegen bis zum Untergang der DDR an Originalschauplätzen und für alle bietet
die bunte und lebendige Studentenstadt Leipzig ein vielseitiges kulturelles Programm auch jenseits von Museen, Kirchen und Lesungen.
Auch dieses Jahr wartete auf die insgesamt 54 Kollegiatinnen und Kollegiaten und ihre Leistungskurslehrer Frau Lutzenberger (D, K 12),
Herrn Strunz (D, K 13) und Herrn Krebs (G, K 12) ein volles Programm: Nachdem die Zimmer im doch recht spartanisch ausgestatteten
Space Education Institute bezogen und die gewöhnungsbedürftigen Grundregeln des „Herbergspaares“ verinnerlicht waren
(an dieser Stelle nochmals ein großes Lob an alle Schülerinnen und Schüler für ihren Langmut hinsichtlich Kost und Logis!),
ging es am Freitag den ganzen Tag auf die Buchmesse. Dort konnte man nicht nur renommierten Autoren wie Feridun Zaimoglu
oder dem „Newcomer“ und Messepreisträger Clemens Meyer lauschen, sondern auch den wimmelnden und wuselnden literarischen
Betrieb zwischen Verlagsständen, Fernsehstudios, Podiumsdiskussionen und Poetry Slams hautnah miterleben. Da ahnt man auf
einmal, was alles bedacht, besprochen, verhandelt und durchlitten werden muss, bevor so ein Buch endlich zwischen zwei Pappdeckeln
gepresst ist! Nach so viel Literatur ging es dann am Abend ins Leipziger Traditionskabarett „Die Pfeffermühle“, dessen Programm
„Ende der Schonung“ besonders für Kabarettneulinge genau das Richtige ist: Die nicht immer ganz einfache Balance zwischen
kritisch-politischem Kabarett und deftigem Klamauk wurde geschickt eingehalten, sodass der Abend – zumindest ergab das
eine spontane repräsentative Umfrage – sowohl genützt als auch unterhalten hat.
Am Samstag, dem ersten Tag der Osterferien,
standen dann Geschichte und Musik im Mittelpunkt: Nach einer kurzen Stadtführung von Johanna Noske, die letztes Jahr am
Marktoberdorfer Gymnasium Abitur machte und jetzt in Leipzig studiert, erlebten die Kollegiaten anschließend in der Nikolaikirche
eine Geschichtsstunde zum Anfassen: Fesselnd berichtete der Küster der Kirche, seinerzeit als junger DDR-Bürger und Regimekritiker
bei der friedlichen Revolution von 1989/90 aktiv beteiligt, wie der zunächst der von den Kirchen getragene Widerstand Anfang
der 1980er Jahre ins Rollen kam, welchen Gefahren und Repressionen die Teilnehmer der immer größer werdenden Friedensgebete
ausgesetzt waren und wie dramatisch es schließlich bei den Leipziger Montagsdemonstrationen im Oktober und November 1989 zuging.
Für unsere Schüler, die allesamt nach der Wende und zumeist im idyllischen Allgäu geboren wurden, ein ganz besonderes Erlebnis,
das zeigt, dass kein noch so gutes Schulbuch die „originale Begegnung“ ersetzen kann. Am Nachmittag wurde die Reise in die
Vergangenheit mit einem Besuch im „Zeitgeschichtlichen Forum“ fortgesetzt, in dem die deutsch-deutsche Geschichte sehr anschaulich
aufgearbeitet ist, was zusammen mit den Führungen durch das kompetente Personal besonders für den Geschichts-LK sehr
gewinnbringend war. Die musisch Interessierten konnten im Anschluss in der Thomaskirche Max Regers Choralkantate „Meinen
Jesum lass ich nicht“ lauschen, während ein anderer Teil der Kollegiaten in die ehemalige Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit
am „Runden Eck“ weiterzog, wo das nach der Wende eingerichtete Stasi-Museum einen beklemmenden Eindruck des Unrechts- und
Überwachungsstaates DDR vermittelt.
Auch wenn das immer gleiche Frühstück im „interessanten“ Space Education Institute nicht allzu üppig war,
traten die Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte am Sonntag zwar erschöpft, aber dennoch satt und
zufrieden angesichts so vieler literarischer und kultureller Erlebnisse die Heimreise im geräumigen Doppeldeckerbus
an. Auf halber Strecke machten sie noch in Nürnberg Station, wo ein zweistündiger Besuch im NS-Dokumentationszentrum
den pädagogischen Teil einer sehr erlebnisreichen und intensiven Studienfahrt abschloss. An dieser Stelle nochmals
ein großes Kompliment an alle Kollegiatinnen und Kollegiaten der drei Kurse, die sich während der dreieinhalb Tage
in jeder Hinsicht vorbildlich verhalten haben, sodass sich auch diesmal wieder bestätigte: "Mein Leipzig lob‘ ich mir!"
Thorsten Krebs